Werthers Leiden, Ernst Kovacic, Christopher Hinterhuber, Wolfram Berger, Schloss Eggenberg, 12. Juli 2009
Wie reizvoll es sein kann, Spekulationen über literarische Bezüge in Beethovens Musik zu projizieren — ohne im tödlichen ideologischen Sumpf zu ersticken —, zeigte dieses Konzert, das mit Beethovens Sonate in A, op. 30/1 begann. Ernst Kovacic und Christopher Hinterhuber fesselten vom ersten Satz an das sonntäglich gestimmte Publikum. Kovacic mit makel- und schnörkellosem, auf die Substanz zielendem, Violinspiel, Hinterhuber mit kongenialer, lyrisch differenzierter Klavierbegleitung. Beide Musikerpersönlichkeiten höchst präzise, einfühlsam und harmonisch aufeinander eingehend. Der Faziolio-Flügel begegnete mit anspruchsvoller Klangästhetik der Guadagnini-Violine, für meinen Gusto hätte man ihn etwas pfeffriger präparieren können. Das bewegend schöne Adagio der Sonate zeigte, wie ungerechtfertigt unterschätzt diese frühen Werke Beethovenscher Kammermusik sind. Mit ruhiger und zurückhaltender Lesekunst begann dann Wolfram Berger über Goethes Singspiel “Lila” und die möglichen Bezüge zu Beethovens Sonate in G op. 30/3 zu erzählen. Sie gipfelten in einem Spinnerlied in Rondo-Form, wie es dem Allegro vivace des dritten Satzes zu grunde liegen könnte. Noch überzeugender dann nach der Pause ein Text über “Werther”, der die Musik nicht nur illustrierte, sondern auch ihren emotionalen Impakt steigerte. Großartig gelesen in der verzweifelten Atemlosigkeit des Wertherschen Unglücks, mit Kraft und Feuer im Allegro con brio von den beiden Musikern in perfektem Zusammenspiel inszeniert. Ein Höhepunkt das Adagio cantabile als stimmungsschwerer lyrischer Zwiegesang zu “Sie fühlt, was ich dulde …”. Nach einem Stimmungswechsel vom Tragischen zum Kindlichen folgte das bewegende Allegro-Finale mit stürmischem endgültigen Abschied nach erfolglosem Seelenkampf. Das einzige, was an diesem Konzert gering das Vergnügen trübte, war ein leises Trafo-Dauersummen — sonst passte alles, vom prachtvollen Ambiente des Parks und Planetensaales über die anspruchsvolle Programmgestaltung bis zu den überzeugenden Künstlerpersönlichkeiten.
(Franz Szabo, Graz)